Wer bist du?
Mein Name ist Henrik Buschmann und ich studiere in Göttingen seit dem Wintersemester 2014/15 Volkswirtschaftslehre und Politikwissenschaft. (Ich habe mit dem VWL begonnen, habe dieses Studium dann aber „abgebrochen“ und in den 2-Fach- Bachelor VWL-Politik gewechselt).
Du selbst bezeichnest deinen Weg zum Stipendium als „nicht schnurgerade". Magst du etwas darüber erzählen?
Ich wurde wegen meiner Legasthenie nicht auf ein Gymnasium geschickt, sondern habe die Realschule besucht. Dort war ich in der sechsten Klasse versetzungsgefährdet, stand in Deutsch, Englisch und Französisch auf fünf. Irgendwie habe ich da aber die Kurve bekommen und wurde versetzt. Bis zur achten Klasse war ich wahrscheinlich einer der anstrengendsten Schüler in der Schule. Da kam es dann auch zu ein paar Anrufen bei meinen Eltern.
Ende der achten Klasse änderte sich jedoch alles für mich. Bei mir wurde ein Herzfehler diagnostiziert, was mir als begeistertem Sportler den Boden unter den Füßen weggerissen hat. Ich durfte schlagartig kein Sport mehr machen, weder in der Schule noch in der Freizeit. In den Sommerferien wurde ich dann am Herzen operiert.
Als ich danach wieder in die Schule zurückkam, habe ich das Unvernünftige abgelegt. Die Realschule schloss ich dann als Jahrgangsbester ab. Ich habe nie wirklich mit dem Gedanken gespielt zu studieren und wollte eigentlich eine Ausbildung im mittleren Dienst beim Finanzamt anfangen. Dort wurde ich jedoch nicht berücksichtigt, da ich noch zu jung war und nicht mit dem Auto zur Ausbildungsstelle fahren konnte. Finanzielle Sicherheit war mir sehr wichtig, deswegen habe ich noch länger über an eine Karriere beim Finanzamt nachgedacht. Dass ich mich dann letztlich für ein Studium entschieden habe, liegt daran, dass ich viel Unterstützung erfahren habe - durch das Stipendium auch finanzielle.
Du warst der Erste in deiner Familie, der studiert. Gab es jemanden, der/die dich besonders zum Studium ermutigt hat?
Letztendlich natürlich meine Eltern. Obwohl wir nie wirklich viel hatten, wurde und werde ich so gut wie möglich von zu Hause unterstützt, im Gegenzug unterstütze ich jetzt auch meine Eltern.
Väterlicherseits sind fast alle bei uns im Handwerk tätig und mein Vater hat mir recht schnell klargemacht, dass ich auf gar keinen Fall im Handwerk arbeiten sollte – zumindest nicht im praktischen Teil. Zwar bekomme ich das Handwerkliche einigermaßen auf die Reihe, da ich aber viel lieber plane und mir Gedanken über die Zusammenhänge mache, wäre ich als Dachdecker oder Trockenbauer wohl eher unglücklich geworden. Den stärksten Antrieb habe ich aber von meinem Deutsch- und Geschichtslehrer auf der Realschule bekommen. Er hat es geschafft, mein politisches Interesse zu wecken und mich gefördert. Sein Lebenslauf ist noch deutlich verwobener als meiner, ich glaube das hat den Ausschlag gegeben. Er hat mir gezeigt, dass ich schaffen kann, was ich will, wenn ich nur will. Er ist ein total vielseitiger und engagierter Mensch, der sich um alle seine Schüler_innen kümmert und darauf bedacht war, auch die Leistungsschwächeren an die Hand zu nehmen.
Welche Art von Unterstützung hättest du dir zu Schulzeiten gewünscht?
Ich hätte mir gleiche Chancen gewünscht. Nicht nur für mich. Ich kenne Kinder, die ohne Schulbrot zur Schule gekommen sind. Viele Familien hatten Probleme, das Büchergeld oder die Klassenfahrten bezahlen zu können. Als Kind ist es einem gar nicht so bewusst, aber die Größe des Geldbeutels, die Ausstattung des Schulranzens und Nachhilfeunterricht entscheiden über einiges im Leben- leider oft auch darüber, ob man sich für ein Studium entscheidet oder nicht.
Warum passt die FES zu dir?
Die FES hat eine lange Tradition der Arbeiter_innenförderung und ich sehe mich selbst als Arbeiterkind. Ich vertrete die Grundwerte der Sozialen Demokratie und bin mir nicht zu schade für diese immer und überall einzutreten. Momentan wirke ich zum Beispiel als Teamer für die Rechtsextremismusausstellung und die EU & DU-Kampagne der FES an Schulen und anderen Bildungseinrichtungen mit, weil ich es extrem wichtig finde diese Werte und auch das Wissen an die jungen Schüler_innen weiterzugeben und auch als eine Art Beispiel für die Schüler_innen und Studierenden zu fungieren.
Du bist selber als Stipendien-Botschafter aktiv und informierst über die FES-Stipendien – warum liegt dir dieses Engagement besonders am Herzen?
Weil ich nicht diesen „schnurgeraden“ Weg zum Studium und zur FES hatte und weil ich davon überzeugt bin, dass wir alle zusammen mehr schaffen können! Bildung ist dabei der Schlüssel zum Erfolg und von Haus aus weiß ich, dass Bildung – gute Bildung – leider auch eine Sache des Portemonaies ist.
Ich habe selbst nur durch Zufall von der FES erfahren, da mir jemand riet, mich dort zu bewerben, weil ich ohnehin schon sehr stark ehrenamtlich engagiert war. Ich möchte dazu beitragen, dass Menschen, die es verdienen gefördert zu werden, auch gefördert werden. Und ich freue mich immer wieder, wenn ich von Schüler_innen angeschrieben oder nach Veranstaltungen angesprochen werde. Wenn diese Schüler_innen dann eine ähnliche Bildungsbiografie wie ich haben, weiß ich, dass meine Arbeit als Botschafter Früchte trägt und ich zur Gerechtigkeit beitragen konnte. Bildungsgerechtigkeit und die damit verbundene Chancengleichheit, sind mir sehr wichtig und ich möchte Schüler_innen und Studierenden zeigen, dass sie es schaffen können.
Du bist Sprecher der Hochschulgruppe Göttingen. Wie sieht die HSG-Arbeit aus?
Seit einigen Jahren bin ich einer der Sprecher der Hochschulgruppe (HSG) in Göttingen. Die meiste Zeit wende ich auf, um den Kontakt zu anderen Stiftungen und Gruppen aufrechtzuerhalten. Daraus ergeben sich immer wieder Veranstaltungen, die geplant werden müssen. Außerdem befinde ich mich stets in einem engen Austausch mit dem FES-Landesbüro Niedersachsen und versuche interessante Veranstaltungen nach Göttingen zu bringen. Zuletzt hat das im April geklappt, da durfte ich dann eine Podiumsdiskussion im Namen der FES moderieren. Sonst halte ich viel Kontakt mit der Abteilung Studienförderung und versuche immer ein offenes Ohr für unsere Stipis hier vor Ort zu haben und die Interessen bei der Abteilung Studienförderung einzubringen.
Das „Tagesgeschäft“ kann auf die Stammtische oder andere Treffen der HSG sowie die Infoveranstaltungen reduziert werden. Meist bereite ich die Stammtische vor und leite und/oder moderiere sie. Bei den Informationstagen kümmere ich mich darum, dass wir einen Stand haben, um die Schüler_innen oder Studierenden informieren zu können.
Bist du gerne FES-Stipendiat?
Ja! Absolut!! Die FES ist der Grund, dass ich studieren kann. Ansonsten wäre es finanziell ziemlich eng bei mir geworden. Die FES hat mich mit dutzenden interessanten Menschen in Deutschland und der Welt in Kontakt gebracht. Ich konnte mich fachlich und menschlich in den Jahren bei der FES weiterentwickeln und werde hoffentlich als Ehemaliger eine Hilfe für die aktuellen Stipis sein können.
Es ist sehr schön zu sehen, dass die FES Demokrat_innen zusammenbringt, die die Grundwerte der Sozialen Demokratie teilen. Ich glaube, in Zeiten wie diesen ist es wichtig, dass man zusammenhält, um dem gesellschaftlichen Druck einer stärker werdenden politischen Extreme etwas entgegenzusetzen.Wer etwas bewegen will, muss handeln und ich glaube, die FES ist ein guter Ort, um damit zu starten.
Henrik studiert VWL und Politik in Göttingen und ist Stipendiat in der FES-Grundförderung.